Glückstadt als Residenzstadt

Eng miteinander verwoben sind die Funktionen oder Charakteristika einer Garnison und Festung mit denen einer Residenz. Der Sitz eines Fürsten oder einer obersten staatlichen Behörde war früher immer befestigt und wird auch heute noch durch Waffen und Soldaten gesichert. Hier flossen Gelder, die aus dem ganzen Land kamen, zusammen. Sie ernährten die Bewohner, deren Bedürfnisse hier ebenfalls lebende und von ihnen abhängige Handwerker und Arbeiter befriedigten.
Im Stadtbild Glückstadts ragen auf dem Danckwerth-Plan von 1651/52, der im Unterabschnitt "Topographie" abgebildet ist, das von 1629 bis 1633 vom König Christian IV. an der Hafenmündung gebaute, ca. 75 Meter breite Schloss, der von viel Wasser umgebene Schlossgarten mit Lusthaus unten rechts und einige Stadtpalais mit Türmchen hervor. Das auf dem frisch eingedeichten weichen Marschboden gebaute Schloss erforderte schon 1638 neue Gründungsarbeiten. Es musste ab 1708 abgebrochen werden.
1649 wurde die Regierungskanzlei für den königlichen Anteil Schleswig-Holsteins von Flensburg nach Glückstadt verlegt, der später eine Reihe höchster Gerichte angegliedert wurden. Damit war Glückstadt die Hauptstadt des Landes bis 1863/67. Die Beamten der Landesregierung mit den Ober- und Appellationsgerichten, die des Landeszuchthauses, des Zollamtes und die Soldaten und Offiziere der Garnison und der hier stationierten Kriegsflotte waren die wichtigste Stütze der Glückstädter Wirtschaft. Die hohen, meist adligen Beamten und Offiziere (eine Liste aus dem Jahr 1800 findet sich in der Nummer 41 der Glückstadt-Bibliographie) prägten das kulturelle und wirtschaftliche Leben in der Stadt. Waren einige repräsentative Bauten Christians IV. auch schon bald verfallen, so sorgten die "hohen Herren" mit ihrem Repräsentationsbedürfnis zumindest bis zum Beginn des 18. Jahrhunderts für Ersatz.
In meinem Beitrag im Steinburger Jahrbuch 1985 (Nr. 41) habe ich neben dem ersten Haus des dänischen Königs, sein Schloss, das Palais seiner Geliebten Wibke Kruse und mehrere Stadtpalais höchster Militärs und Regierungsbeamter, die nach dem Abbruch des Schlosses, teils als Quartiere der Regierungskanzlei genutzt wurden, behandelt.
Die Stadt war politisch aufgeteilt in die Bürger- oder Stadt- sowie in die Schloss- und Garnisongemeinde. Zur letzteren gehörten alle Soldaten, ihre Frauen und Kinder, alle königlichen Beamten mit ihren Familien und ihrem Personal. Im allgemeinen betrug die Stammgarnison mit dreizehn Kompanien bei voller Sollstärke 2.000 bis 2.500 Mann. In Kriegszeiten waren hier bis zu 4.000 Soldaten stationiert. 1693 gehörten zu den dreizehn Kompanien der Stammgarnison 660 Ehefrauen. Rechnet man die anderen Mitglieder der Schloss- und Garnisongemeinde hinzu, dann wird man auf eine Gesamtstärke kommen, die sicherlich bis ca.1800 höher lag als die der übrigen Einwohner.
Das Verhältnis der beiden Gemeinden zueinander wurde entscheidend bestimmt durch die Vorteile, die die Mitglieder der Schloss- und Garnisongemeinde genossen. Die Hauptlast der städtischen Ausgaben und Pflichten hatte die Bürgergemeinde zu tragen. Besonders die Einquartierung wurde für sie zu einer extremen Last, weil die größten Häuser in der Stadt, die der adligen Beamten und hohen Militärs, in der Regel befreit waren. Der städtische Haushalt war immer defizitär und erklärt die vielen Bittschriften des Magistrates und die ständige Förderung durch den König.
Auch kirchlich war die Schloss- und Garnisongemeinde von den Bürgern getrennt. Schon 1641/42 hatte Christian IV. zwischen seinem Schloss und dem dahinter stehenden großen Provianthaus der Festung eine Schlosskirche errichten lassen. Der erste Schlosspastor ist schon 1630 nachgewiesen, der letzte 1854. Nach dem Abbruch des Schlosses predigte auch er in der Stadtkirche. Die Kirchenbücher dieser Gemeinde, die in der Regel von 1661 bis 1856 geführt wurden, werden noch heute im Archiv der Evangelisch-lutherischen Kirchengemeinde Glückstadt verwahrt. Sie sind eine wahre Fundgrube nicht nur für die Genealogen, die sich mit dem schleswig-holsteinischen Adel beschäftigen.

Plan der Vestung
Auf dem abgebildeten Plan, der wohl kurz nach 1720 entstanden ist und die um 1656 zurückgebauten Festungsanlagen südlich des Hafens zeigt (vergleiche den Plan von Danckwerth aus dem Jahre 1652 im Kapitel "Topographie", der eine Erweiterung der Stadt im Süden vorsah), fehlt das königliche Schloss. Die Regierungskanzlei war spätestens um 1700 aus dem baufälligen Gebäude ausgezogen und vorübergehend im Haus des Kanzlers Reichsfreiherrn Andreas Pauli von Liliencron Am Hafen 15/16 an der Ecke zur Reichenstraße untergekommen. Auf dem Plan wird die Kanzlei ziemlich am Ende der Hafenstraße mit dem Buchstaben "N" hervorgehoben. Es ist das Stadtpalais Am Hafen 46, das nach seiner Inschrift im Sandsteinportal sogenannte Haus "Quasi non possidentes", das heute der Stadt Glückstadt gehört und für Ausstellungszwecke genutzt wird. Von ihm ist lediglich bekannt, dass es um 1700 der Witwe des Proviantkommissars Lorenz Jessen gehörte.
1752 ließ der dänische König das vom Vizekanzler der Regierungskanzlei, Jakob Johann von Wasmer, wohl um 1725 bis 1730 in der Königstraße gebaute Palais auf einer öffentlichen Auktion ersteigern. Das Haus sollte die Regierungskanzlei aufnehmen, aber auch den König und sein Gefolge bei Besuchen in Glückstadt beherbergen. Von den fünf größeren und acht kleineren Räumen erhielt die Kanzlei die fünf größeren und ein kleines Zimmer. Zwei Räume waren für das Kanzleiarchiv vorgesehen.
Die Abbildungen zeigen das Wasmer-Palais auf einer Lithographie von 1851 "Plan von Glückstadt nebst Rhede und Umgebung", gezeichnet von H. Kröhnke mit 14 Randbildern. Der Kamin schmückt den großen Stucksaal, den vermutlich früheren Sitzungssaal der Regierungskanzlei, fotografiert 1964 von Helmut Stubenrauch, entnommen dem Buch "Bilder aus Glückstadt" (Glückstadt-Bibliographie Nr. 6). Die Stukkaturen schuf der 1683 geborene italienische Architekt Andrea Maini, der von 1717 bis 1728 am Bau der Reichsabtei in Ottobeuren mitgewirkt hatte und danach in Glückstadt arbeitete.

Wasmer-Palais      Kamin im Wasmer-Palais

Das Thema Residenzstadt ist auch im Buch über die Bevölkerung (Nr. 31) und in den Beiträgen Nr. 14, 32, 34, 46 und 57 behandelt oder angeschnitten. In der Nummer 41 finden sich weitere Literaturangaben. Die wichtigsten sind: Detlef Detlefsen: Geschichte der holsteinischen Elbmarschen. 2. Glückstadt 1892. - Detlef Detlefsen: Die städtische Entwicklung Glückstadts unter König Christian IV. In: Zeitschrift der Gesellschaft für Schleswig-Holsteinische Geschichte 36 (1906), S. 191 - 256. - Ernst Jacobsen: Die Holsteinische Regierungskanzlei und das Holsteinische Obergericht in Glückstadt 1648 - 1867. In: Steinburger Jahrbuch 4 (1960), S. 57 - 66. - Hermann Schmidt: Die Glückstädter Regierungs- und Justizkanzlei des königlichen Anteils in den Herzogtümern Schleswig und Holstein 1648 - 1774. In: Zeitschrift der Gesellschaft für Schleswig-Holsteinische Geschichte 48 (1919), S. 297 - 381.